Erfolge zu Stichwort (Fließgewässer)
- Anerkannte Umweltorganisationen können ihre Überprüfungsrechte unmittelbar aus dem EU-Recht ableiten, auch wenn diese gem Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018 oder Wasserrechtsgesetz 1959 nicht vorgesehen sind.
- Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat die Frage des „aliuds“ - also ob lediglich eine bloße technische Änderung gem § 21a Wasserrechtsgesetz oder bereits eine bewilligungspflichtige Neuverleihung des Wasserbenutzungsrechtes - vorliegt, „einzelfallbezogen“ zu prüfen.
- Umweltorganisationen haben aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes das Recht, die Frage des „aliuds“ rechtswirksam geltend zu machen. Denn es macht für sie „einen ganz entscheidenden Unterschied“, da „der Umfang der aus dem Unionsrecht abgeleiteten Partizipationsrechte für Umweltorganisationen in einem Neuverleihungsverfahren des Wasserbenutzungsrechts wesentlich weiter als bei einer bloßen Anlagenänderung ist.“
- Das Landesverwaltungsgericht muss sich daher mit dem Vorbringen der Umweltorganisationen, wonach das ursprüngliche (bereits im Jahr 2007 genehmigte) Projekt „funktionsunfähig“ war und erst durch die Änderung der Druckrohrleitungstrasse und des Wasserfassungsstandortes „funktionsfähig“ wurde, auseinandersetzen.
- Das Verfahren nach § 21a Wasserrechtsgesetz kann mehrstufig sein. Zunächst kann die Behörde zusätzliche Auflagen vorschreiben. In diesem amtswegigen Verfahren haben Umweltorganisationen keine Parteistellung. In einem weiteren Schritt ist über die Erfüllung eines solchen Auftrags ein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren durchzuführen, in dem „(auch) die Frage zu klären“ ist, ob durch das angepasste Projekt „ein möglicher Verstoß gegen aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangene Rechtsvorschriften vorliegt.“ In diesem Verfahren haben Umweltorganisationen das Recht, „die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen.“
- Wenn das Landesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass kein „aliud“ vorliegt, muss es prüfen, ob bei den „genehmigten Anpassungsmaßnahmen und Änderungen eine Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften erfolgte.“ (4.10.2021)
Die außerordentliche Revision von ÖKOBÜRO und WWF war erfolgreich. Die Initiativen setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die Auswirkungen des Wasserkraftwerks auf die „ökologisch besonders wertvolle“ Schwarze Sulm, gerichtlich überprüft werden. Im Verfahren betreffend die wasserrechtliche Änderungsbewilligung durch den steirischen Landeshauptmann aus dem Jahr 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof nun festgestellt, dass anerkannten Umweltorganisationen ein solches Überprüfungsrecht zusteht (VwGH 14.9.21, Ra 2020/07/0056 bis 0057-10): Das Landesverwaltungsgericht Steiermark muss nun im fortgesetzten Verfahren prüfen, ob das angepasste Projekt wesentlich vom ursprünglich genehmigten Projekt abweicht und den strengen Anforderungen an den Gewässerschutz gem Wasserrahmenrichtlinie genügt. Mit diesem Verfahren konnten zugleich mehrere Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Auslegung der Rechte der Öffentlichkeit in Umweltverfahren geklärt werden:
Zur Initiative Schwarze Sulm
Die Umweltorganisation Ökobüro erwirkte beim Verwaltungsgerichtshof die Feststellung, dass die Aarhus-Konvention rückwirkend anwendbar sein kann, und zwar bis zum Geltungsbeginn der Grundrechtecharta am 1.1.2009. Damit ist fraglich, inwieweit kürzere oder gar keine Rückwirkungsfristen im Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018 und in den Naturschutz- und Nationalparkgesetzen der Bundesländer zulässig sind. Sie könnten gegen das Recht auf wirksamen gerichtlichen Schutz der unionsrechtlich garantierten Rechte verstoßen (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0410). (31.7.2020)
Zur Initiative Schwarze Sulm (364)
Aus Anlass einer Anfrage (Vorabentscheidungsersuchen) des österr. Verwaltungsgerichtshofes stellte der Gerichtshof der Europäischen Union am 20.12.2017 klar: Anerkannte Umweltorganisationen müssen den Schutz der Fließgewässer und des Grundwassers, wie er durch Art 4 Wasserrahmen-RL gewährleistet ist, in Genehmigungsverfahren geltend machen können. Jedenfalls muss eine behördliche Genehmigung eines wasserbeeinträchtigenden Projektes bei einem Gericht angefochten werden können. Setzt das nationale Recht Einwendungen als Verfahrenspartei im behördlichen Verfahren voraus, so muss auch Umweltorganisationen eine derartige Parteistellung eingeräumt werden. Im konkreten Anlassfall kann aber der Umweltorganisation nicht vorgeworfen werden, dass sie im behördlichen Verfahren nicht die richtigen Einwendungen vorgebracht habe (da das WasserrechtsG den Umweltorganisationen noch keine Parteistellung einräume).
Der österr. Gesetzgeber wird das WasserrechtsG jedenfalls dahingehend ändern müssen, dass Umweltorganisationen Zugang zu Wasserrechtsverfahren haben. Dies ist schon bisher im UVP-Verfahren der Fall, dem größere Projekte, etwa Wasserkraftanlagen ab 15 MW Engpassleistung unterliegen. Umweltorganisationen dürfen jetzt also zB auch bei kleineren Wasserkraftwerksprojekten mitreden. Die Entscheidung wird aber auch bei Grundwasserentnahmen schlagend werden, bei allen Projekttypen schon in allen laufenden Verfahren. Die EuGH-Entscheidung wirkt aber darüber hinaus. Sie bekräftigt die notwendige Einbindung der Umweltorganisationen auch in andere Genehmigungsverfahren wie zB nach dem Naturschutzrecht. Der Bundes- und die Landesgesetzgeber werden bei der schon lange anstehenden Reform einen gewissen Gestaltungsspielraum haben. Die Grünen hatten im Juni 2017 im Nationalrat einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht.
Der BIV hat zwar nicht das Anlassverfahren (Protect gg BH Gmünd/NÖ) finanziell unterstützt sondern das bis zur Zurückziehung des Vorabentscheidungsersuchens mit diesem verbundene Verfahren des WWF zum Wasserkraftwerk Tumpen/Habichen in Tirol (C-663/15). Für die Stellungnahme an den EuGH und die Vertretung bei der EuGH-Verhandlung durch eine Anwältin zahlte der BIV ingesamt € 6.160,--. Weiters hat der BIV die Rechtsschritte von ÖKOBüro unterstützt um in das Verfahren zur Genehmigung des Wasserkraftwerks an der Schwarzen Sulm "eingelassen" zu werden. Sehr einschlägig auch die Unterstützung des Stmk. Naturschutzbundes, um das Grundwasser in Zusammenhang mit der geplanten Grundwasserentnahme für die Gemüseintensivzucht in Bad Blumau zu schützen. Eine Zusammenschau aller Aarhus-Pilotfälle findet sich im Jahresbericht 2016, S 5 f.
Siehe näher:
EuGH-Entscheidung C-664/15 vom 20.12.2017
Zum Verfahren WWF-Stellungnahme EuGH-Durchsetzung WRRL (421)
Zum Verfahren Schwarze Sulm (364)
Zum Verfahren Glashaus Frutura in Bad Blumau (393)
Zum Jahresbericht 2016
Zum Grünen Antrag für ein Bundes-UmweltrechtschutzG vom Juni 2017
Vor 10 Jahren hat die Österreichische Wasserstraßen-Gesellschaft via donau das „Flussbauliche Gesamtprojekt Donau östlich von Wien“ eingereicht - um die Donau schiffbarer zu machen. Nun hat die von uns unterstützte Initiative (gemeinsam mit anderen Initiativen) mit ihren sachverständigen und juristischen Eingaben eine Zurückziehung des Projektantrages erreicht (siehe OTS der Umweltorganisation VIRUS vom 13.12.2016).
Zu harte Regulierungsmaßnahmen, zu geringe Berücksichtigung der Auenökologie, fehlende Notwendigkeit und mangelnde Zukunftsorientierung wurden dem millionenschweren Großprojekt nachgesagt und haben es wohl schließlich endgültig zu Fall gebracht.
Nun ist der Weg endlich frei für ein besseres und umweltverträglicheres Konzept. Planungsgrundsätze für einen neuen Rahmenplan für die Donaustromlandschaft zwischen Wien und Bratislava, in dessen Gesamtkontext kleinere, handhabbarere Projekte eingebunden werden sollen, haben die Umweltorganisationen schon 2011 vorgestellt.
Siehe näher Forum Wissenschaft und Umwelt - Donauregulierung (289)