Erfolge zu Stichwort (Gesundheit)
- befristete oder zonenweise dauerhafte Dieselfahrverbote
- Unterstützung der Umrüstung von Klein-LKW Flotten durch Incentives („Sondermaut“)
- Einführung einer City Maut für belastete Zonen
- Radwege-Ausbau und Schaffung großflächiger Fußgängerzonen wie etwa in Kopenhagen, Paris oder Brüssel
- Tempo 30 flächendeckend
- Ampel-Vorrangschaltung für öffentliche Verkehrsmittel als Anreiz für den Umstieg
- Durchfahrtsgebühren im Wege einer Art „Section Control“ für Fahrzeuge, die einen Bezirk bloß im Transit durchqueren.
- Erfolg 1: Keine Wiederinbetriebnahme des klimaschädlichen und feinstaubemittierenden Kohlekraftwerks Voitsberg.
- Erfolg 2: Die Umweltverträglichkeitsprüfungs-Pflicht des Projekts wurde erfolgreich geltend gemacht.
- Erfolg 3: Der Fall war einer der Anlassfälle für das EU-Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2012/2013, das letztlich zur Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes führte: Anerkannten Umweltorganisationen wurde das Recht eingeräumt, gegen einen negativen UVP-Feststellungsbescheid (d.h. die Feststellung der Behörde am Ende eines UVP-Feststellungsverfahrens, dass das Vorhaben keinem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren zu unterziehen ist) den Umweltsenat anzurufen (BGBl 77/2012).
Ziel der Initiative ist es, ein strengeres Luftreinhalteprogramm ("Maßnahmenprogramm" nach § 9a IG-L) für Wien und die Verlegung von Messstellen in Richtung belastetere Stellen in der Stadt bzw. zusätzliche Messstellen zu erreichen. Nun gibt es einen ersten Erfolg: Die Stadt Wien hat schriftlich zugesagt, eine weitere Messstelle am Neubaugürtel zu errichten. Wie die Stadt Wien hinsichtlich der weiteren Punkte, vor allem betreffend die geforderte Überarbeitung des Maßnahmenprogramms weiter vorgehen wird, bleibt spannend. Die Initiative schlägt vor, zusätzliche Maßnahmen ins Luftreinhalteprogramm aufzunehmen, darunter:
Teilerfolg:
„In einem Schreiben vom Mai 2023 wurde von der Stadt Wien die Errichtung einer neuen Messstelle zugesagt. Aus dem Schreiben: „Das Land Wien reagiert auf die geänderte Belastungssituation. Wir können Ihnen mitteilen, dass in Entsprechung Ihres Antrages eine neue verkehrsnahe Messstelle errichtet wird. Dabei hat die fachliche Überprüfung ergeben, dass die Errichtung einer Messstelle am Standort Neubaugürtel fachlich am zielführendsten ist.“
Das Verfahren bezüglich eines neuen und strengeren Luftreinhalte-Maßnahmenprogramms läuft noch. Es bleibt also spannend.
Ein weiterer Meilenstein für die Umsetzung der Aarhus-Konvention in Österreich: In einem bahnbrechenden Urteil hat der Verwaltungsgerichthof Ende Februar entschieden, dass Umweltorganisationen das Recht haben, behördliche Unterlassungen gerichtlich geltend zu machen.
Konkret ging es in dem Verfahren um die Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte in Salzburg. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat die antragstellende Umweltorganisation Ökobüro das Recht, bei der Behörde die Erlassung von Maßnahmen zur Einhaltung der Luftschadstoff-Grenzwerte zu beantragen. Das könnten laut Antragsteller temporäre Fahrverbote oder Umweltzonen sein – alles was geeignet ist, damit die Grenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden.
Die gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation setze sich für den Schutz des Allgemeininteresses ein, und sei daher zur Stellung eines solche Antrages berechtigt, so der Verwaltungsgerichtshof. Denn es handle sich um die Reduzierung der Luftverschmutzung und damit um den Schutz der öffentlichen Gesundheit.
Dass Maßnahmen zur Luftreinhaltung nach der österreichischen Rechtsordnung in Form einer Verordnung ergehen und grundsätzlich weder ein Antragsrecht noch ein einheitliches Verfahrensrecht hinsichtlich einer Verordnungserlassung besteht, sei keine Rechtfertigung für die Versagung des unionsrechtlich gebotenen Anspruchs. Vielmehr seien die österreichischen Behörden und Gerichte gefordert, für effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen, so der Gerichtshof.
Dieses Urteil hat weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Nun steht endlich fest, dass Umweltorganisationen gegen untätige Behörden vorgehen können, wenn Umweltvorschriften verletzt werden – so wie es die Aarhus-Konvention und die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union seit Jahren verlangen. Das gilt nicht nur Vorschriften zur Luftreinhaltung, sondern für das gesamte Umweltrecht, also beispielsweise auch für das Wasserrecht, die Abfallwirtschafts-Gesetzgebung oder Naturschutzvorschriften. (13.3.2018)
Zum Erkenntnis VwGH 19.2.2018, Ra 2015/07/0074-6
Zur Initiative Antrag auf NO2-Maßnahmen Sbg (406)
Aufgrund der Beschwerden zahlreicher Initiativen und Einzelpersonen (drei davon vom BIV unterstützt) entschied das Bundesverwaltungsgericht am 2. 2. 2017 über die geplante 3. Piste am Flughafen in Wien (W109 2000179-1/291E).
Da die nach § 71 Luftfahrtgesetz notwendige Abwägung der öffentlichen Interessen, die für bzw gegen das Projekt sprechen, von der NÖ Landesregierung (als UVP-Behörde) nicht fehlerfrei erfolgte, nahm das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen eine neue Interessensabwägung vor. Das Ansuchen der Flughafen AG wurde aus Gründen des Klimaschutzes abgewiesen:
„Da durch den Klimawandel mit schweren gesundheitlichen Schäden samt einer Zunahme von hitzebedingten Todesfällen sowie mit schweren Beeinträchtigungen der österreichischen Wirtschaft und Landwirtschaft zu rechnen ist, und es durch das Vorhaben zu einem markanten Anstieg an THG-Emissionen (Treibhausgas, Anm.) kommen wird, muss das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens hinter das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels und der Bodeninanspruchnahme zurücktreten. Insgesamt überwiegt das öffentliche Interesse, dass es in Österreich zu keinem weiteren markanten Anstieg an THG-Emissionen durch Errichtung und Betrieb der dritten Piste kommt und Österreich seine national und international eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion der THG-Emissionen einhält gegenüber den verschiedensten öffentlichen Interessen, die für die Errichtung des Vorhabens sprechen. Auch ist die Erhaltung wertvollen Ackerlands für zukünftige Generationen zur Nahrungsmittelversorgung dringend geboten." (S 126)
Laut den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes sollten von 2015 bis 2020 im Verkehrssektor die Treibhausgas-Emissionen um 2,25% abnehmen. „Durch den Bau und Betrieb der dritten Piste wird es aber zu einer Zunahme von 1,79% (bei Annahme des Szenarios WEM) bzw. 2,02% (bei Annahme des Szenarios WAM) der gesamten THG-Emissionen von ganz Österreich kommen.“ (S 117)
Die Emissionen aus dem Luftverkehr hätten sich in den EU-15 zwischen 1990 und 2006 mehr als verdoppelt. Das europäische und internationale Regelwerk zum Emissionshandel garantiere keine Reduktion der THG-Emissionen aus dem Luftverkehr insbesondere auch nicht in Bezug auf Österreich. (S 96 f)
Das Bundesverwaltungsgericht ging auf die übrigen Beschwerdepunkte wie zB die gesundheitsgefährdende Lärmbelastung durch das geplante Projekt nicht ein, da das Ansuchen schon allein aufgrund des ausreichenden fehlenden öffentlichen Interesses an der Errichtung der dritten Piste abzuweisen war (S 127).
Die Flughafen AG hat bereits angekündigt, gegen diese Entscheidung den Verwaltungsgerichtshof anzurufen (und eine außerordentliche Revision einzubringen). Die erwähnten Initiativen und Einzelpersonen werden Parteien dieses Verfahrens vor dem VwGH sein. (mm 10.2.2017)
Zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts W109 2000179-1/291E vom 2.Feber 2017: Dritte_Piste_Entscheidung
Zum UVP-Verfahren 3. Piste siehe auch: UVP-Verfahren 3. Piste Flughafen Wien (270)
Anlässlich des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens über die S1 Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat – Süßenbrunn (S1 Lobau) stellte das Bundesverwaltungsgericht am 30. November 2015 den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, die vom Verkehrsministerium verordneten Lärm-Immissionsgrenzwerte aufzuheben.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist § 6 der Bundesstraßen-Lärmimmissionsschutzverordnung gesetzwidrig. Denn die Bestimmung könne nicht mit dem vom Verkehrsministerium beauftragten humanwissenschaftlichen Gutachten begründet werden:
a) Die Festlegung der Grenzwerte nehme keine ausreichende Rücksicht darauf, ob die Straße in ruhigen oder schon belasteten Gebieten gebaut werde, sodass es zur „Lärmauffüllung“ ruhiger Gebiete komme mit dem Effekt, dass diese, für die Erholung der Menschen notwendigen Flächen, immer kleiner werden.
b) Das Irrelevanzkriterium (welche Lärmzunahme ist vernachlässigbar) sei zu hoch angesetzt.
Damit besteht die Chance, dass nicht medizinisch begründete und zu hohe Grenzwerte aufgehoben werden und der Lärmschutz von StraßennachbarInnen verbessert wird. (30.09.2016)
Siehe näher S1 Schwechat - Süßenbrunn (Lobautunnel) (314)
Der Lärm von rauchenden und wartenden Gästen vor Diskotheken stellt für NachbarInnen eine große Belastung dar. Bei der Genehmigung von Diskotheken wird dies jedoch nicht berücksichtigt. Nachbarin E wandte sich deshalb an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde jedoch ab. Die Regelung, dass nur auf Lärmimmissionen von Personen in der Betriebsanlage abgestellt wird, sei nicht unsachlich, weil es in der Gewerbeordnung andere Schutznormen gäbe (zB § 113 GewO Vorverlegung der Sperrstunde zum Schutz der NachbarInnen) (VfGH 21.11.2014 B 762/2013-4). Auch der Verwaltungsgerichtshof wies die darauf folgende Revision ab (Ro 2014/04/0014-5).
Jedoch fruchteten die zähen, juristisch fundierten Bemühungen beim Objekteigentümer: Im Juni 2015 berichtet die Initiative, dass der Eigentümer den Mietvertrag mit dem Diskothekbesitzer aufgelöst habe. Das Lokal sei geschlossen und man bemühe sich für die Zukunft um eine anrainerverträgliche Vermietung. (30.09.2016)
Siehe näher Lärm vor Gaststätten (380)
Einsprüche der NachbarInnen im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren eines SPAR-Logistikzentrums ebneten den Weg für Verhandlungen zwischen der Bürgerinitiative „Kontra Logistikzentrum Ebergassing“ und SPAR.
Nach zähen Verhandlungen gab SPAR schließlich im März 2015 eine verbindliche Erklärung ab, wonach die Belastungen für die BürgerInnen von Ebergassing reduziert werden sollen. Der Bürgerinitiative wurde die Deckelung des Verkehrsaufkommens, die Verlegung des LKW-Warteplatzes, der Verzicht auf akustische Rückfahrwarner und noch einiges mehr zugesagt. (30.09.2016)
Siehe näher Logistikzentrum Ebergassing (363)
Das Ergebnis der Initiativen gegen das Kohlekraftwerk im steirischen Voitsberg kann sich sehen lassen:
NachbarInnen und Umweltorganisationen beeinspruchten den Genehmigungsantrag der A-TEC Beteiligungs GmbH nach dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen aus dem Jahr 2009. Paralles dazu beantragten Umweltanwaltschaft u.a. die Prüfung der UVP-Pflicht des Projekts, also die Durchführung eines UVP-Feststellungsverfahrens. Im UVP-Feststellungsverfahren verneinte die Stmk. Landesregierung die UVP-Pflicht des Projekts und erließ einen negativen Feststellungsbescheid, wogegen u.a. die vom BIV unterstützten NachbarInnen Berufung beim Umweltsenat einlegten. Der Umweltsenat erkannte ihre Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren jedoch auch nicht an. Der danach angerufene Verwaltungsgerichtshof setzte das Verfahren mit den NachbarInnen wegen eines einschlägigen Vorabentscheidungsverfahrens am Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aus. Der Verwaltungsgerichtshof gab in der Sache jedoch der im Feststellungsverfahren als Partei anerkannten Gemeinde Bärnbach Recht und hob die negative UVP-Feststellung auf (VwGH 30.01.2014, 2010/05/0173, 0174). Denn durch die ganzjährige Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks sei eine Kapazitätserweiterung geplant gewesen, die UVP-relevant sein konnte. Für die NachbarInnen endete das Verwaltungsgerichtshofverfahren endgültig mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes 2015/05/0001-12 vom 24.2.2015, weil der Projektantrag vom Betreiber zurückgezogen wurde.
Durch den Konkurs des Betreibers (A-TEC) kam es 2011 zur Zurückziehung des Projektantrags. Nach ersten Abtragungsarbeiten der Altwerke im Jahre 2013 wurde schließlich 2015 auch Block 3 abgerissen. Ohne den Einspruch der Betroffenen wäre dieses auch ökonomisch verfehlte Projekt verwirklicht worden. Das Projekt zeigt aber auch wie eine Zusammenarbeit der Grünen aller Ebenen (Bezirk, Land und Bund) mit den Bürgerinitiativen etwas für die Umwelt bewegen kann. Auf Bundesebene unterstützte nicht nur der BIV die Rechtsschritte der Bürgerinitiative, sondern griff Nationalrats-Abgeordnete Brunner auch die neuralgischen Punkte des Projekts in parlamentarischen Anfragen (Anfragen Nr 4180/J und 4181/J vom Dezember 2009) sowie mit einer Beschwerde an die EU-Kommission wegen Verletzung der UVP-RL und der IPPC-RL [CHAP (2010)00995] auf. Auch die Bürgerinitiative „Zukunft Voitsberg“ brachte eine EU-Beschwerde ein. (Siehe auch grüner Entschließungsantrag zur Verhinderung neuer Kohlekraftwerke in Österreich (1037/A vom März 2010)). (30.09.2015)
Siehe näher Kohlekraftwerk Voitsberg - UVP (333)
Das vom BIV auf Ersuchen der „BI SPINST“ in Graz finanzierte und hernach publizierte Rechtsgutachten (PDF) (Merli, Unzumutbare Gesetzgebung: Die neue Gastgartenregelung der Gewerbeordnung, JRP 2011, 211 f) war mitursächlich für die Aufhebung einer Passage in der Gewerbeordnung durch den Verfassungsgerichtshof:
Damit können in Zukunft auch bei Gastgärten mit weniger als 75 Sitzplätzen Auflagen gegen "unzumutbare Belästigungen" erteilt werden. Der Gesetzgeber wollte solche Auflagen nur zum Schutz der Gesundheit, also bei sehr schwerwiegenden Beeinträchtigungen, zulassen. Dies verstößt jedoch nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes gegen den Gleichheitsgrundsatz (VfGH 16.06.2013 G 94/2013).
Bereits am 7. Dezember 2011 hatte der Verfassungsgerichtshof die Passage „eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, […]“ wegen Gleichheitswidrigkeit aufgehoben (VfGH 07.12.2011, G 17/11-6 und G 49/11-6). (30.09.2014)
Siehe näher Gastgartenregelung (332)